Federverlust

ZF-Weibchen mit Federverlust

Wenige Vogelhalter haben es nicht schon erlebt: Das prächtige Federkleid eines Vogels zeigt eines Tages eine deutliche Lücke am Scheitel, am Nacken, an der Brust oder am Bürzel, und diese schließt sich nicht etwa, sondern wird in wenigen Tagen immer größer. Oder man entdeckt auf dem Käfig- bzw. Volierenboden eine ungewöhnliche große Menge Federn. Woran kann das liegen?

Betroffen sind nach Angaben vieler Zebrafinken-Halter Jungvögel und Altvögel, Männchen und Weibchen – und meistens Käfigvögel. Schaut man sich deren Lebensbedingungen genauer an, kann man folgende mögliche Gründe vermuten:

  1. Die angenehmste Erklärung ist: Ein oder einige Vögel sind in der Mauser, vielleicht in der ersten, der Jugendmauser, und der ebenso besorgte wie unerfahrene Halter hat diese nur noch nicht erlebt.
        Die Mauser ist keine Krankheit, sondern der notwendige und regelmäßige Austausch alter, verbrauchter Federn durch neue. Die erste Mauser ist die Jugendmauser, in der das Federkleid die Färbung der Altvögel annimmt. Weder die Erwachsenen- noch die Jugendmauser sind ein Grund zur Besorgnis, wenn die Vögel richtig gehalten und gefüttert werden.
        (Sogenannte "Mauserhilfe" für sich mausernde Vögel ist in erster Linie ein tolles Geschäft für die Futtermittelindustrie, aber kein Ersatz für ausgewogene Ernährung.)
  2. Wenn ein Halter plötzlich eine viel größere Menge Federn auf dem Boden entdeckt, als bei einer vorausgegangenen Mauser beobachtet wurden, so ist eine "Schockmauser" denkbar: Ein Vogel könnte den gesamten Federbüschel vor Schreck oder bei einem sehr heftigen Kampf verloren haben. Typisch ist das Fehlen (fast) aller Schwanzfedern.
        Schocksituationen können durch den ungeschickten Fang eines Vogels, durch die unsensible Annäherung an ängstliche Volierenvögel in kleinen Käfigen, durch beengte Unterbringung rivalisierender Vögel und durch Haustiere (z. B. Katzen) verursacht werden.
  3. Häufig entstehen kahle Stellen durch ein sich ständig verstärkendes Federpicken (Zupfen, Rupfen). Die Käfiggröße ist dafür auch ohne Schock und Kämpfe die häufigste Ursache: "Normale" Käfige sind für artgemäße Vogelhaltung viel zu klein, und das hat Folgen:
    1. Daß die Tiere dort nicht oder nicht richtig fliegen können, hat eine ständige Unterdrückung ihres natürlichen Bewegungsdrangs zur Folge, der sich dann in unnatürlichen Handlungen wie etwa dem Federrupfen ein Ventil schaffen kann. Man denke nur an die monotonen Bewegungen großer Säugetiere in den früher üblichen kleinen Zoo-Käfigen! Und kleine agile Vögel legen natürlicherweise fliegend viel größere Strecken zurück als ein großes Säugetier.
    2. Hinzu kommt ein psychologischer Aspekt: Beschäftigungsmangel! Die Vögel haben den ganzen Tag kaum etwas zu tun: Ein Männchen z. B., das weder Futter suchen, noch Eindringlinge abwehren, noch Nistmaterial sammeln noch balzen braucht, ist "unterbeschäftigt" und frustriert. Sein Weibchen (das wir Menschen ihm ausgesucht haben) muß dafür dann den Kopf hinhalten ... zum Rupfen!
  4. Ein besonderer Fall von Beschäftigungsmangel ist ein Mangel an Nistmaterial: Der Nestbau gehört ebenso zum Brutgeschäft wie die Balz, er wird von einem Trieb gesteuert, den das Männchen – mehr als das Zebrafinkenweibchen – befriedigen muß. Findet es in der Nestbauphase kein oder zu wenig Nistmaterial, kann es seine Frustration bei anderen Vögeln, z. B. seinem Weibchen, mit Federpicken abzureagieren suchen und dabei eventuell auf die "Idee" kommen, dessen Federn für den Nestbau zu verwenden.
        Wenn in der Brutphase plötzlich wieder Nistmaterial zur Verfügung steht, kann der unterdrückte Nestbau übrigens nachgeholt werden: Die Gelegten Eier und selbst geschlüpfte Nestlinge werden dann rücksichtslos überbaut ...
  5. Zebrafinkenpaare werden leider meist nicht von den Vögeln selbst gebildet, sondern von Menschen entweder zufällig oder mit bestimmten züchterischen Absichten zusammengestellt. Manchmal werden auch bestehende Paare bewußt oder unbewußt auseinandergerissen. Eine ebenso mögliche wie verständliche Folge ist Disharmonie : Wenn sich die "Partner" nicht richtig verstehen, kann sich ihre gegenseitige Antipathie auch in penetrantem bzw. aggressiven Federrupfen äußern.
        Dieses wird dadurch begünstigt, daß sich die Vögel in einem kleinen Käfig nicht ausweichen können. Auch hier spielt also die Käfiggröße eine wichtige Rolle!
  6. Ein besonders krasser Fall von Disharmonie tritt meist dann auf, wenn ein Zebrafink allein, also ohne Artgenossen gehalten wird oder nicht einmal mit anderen Prachtfinken vergesellschaftet wird. Nur ein auf den Menschen geprägter Vogel kann sich diesem wie einem Artgenossen anschließen, und wenn der Vogelhalter dann diese Funktion z. B. aus Zeitmangel nicht erfüllen kann, leidet der vereinsamte Vogel unsäglich und rupft sich oft die Federn aus.
        Anders als größere Vögel, Papageien etwa, überleben Zebrafinken die Einsamkeit nicht lange.
  7. Nach Meinung einiger Vogelärzte kann auch eine Fehlernährung, nämlich der Mangel an Mineralien bzw. Spurenelementen, die Ursache für Federpicken sein: Möglicherweise suchen die Vögel in den blutigen Federkielen die Nährstoffe, die ihnen in der Käfighaltung vorenthalten werden. Ob das für Zebrafinken bei einer normalen Ernährung mit guter, nicht zu alter Hirse, Grit und etwas Grünzeug (sowie etwas zusätzlichem Weichfutter für die Jungenaufzucht) zutreffen kann, wage ich zu bezweifeln. Im Zweifel sollte man ein Mulitvitamin- und Mineralstoffpräparat in regelmäßigen geringen Dosen verabreichen ...
  8. Schließlich können auch Ektoparasiten die Verursacher kahler Stellen sein: Grabmilben (Räude) können dort, wo sie konzentriert auftreten, entweder direkt Federn absterben lassen oder einen Vogel zum ständigen Picken und schließlich Ausrupfen der Federn veranlassen. Räude läßt sich therapieren!

In vielen Fällen von Federverlust sollte man übrigens nach mehr als einer Ursache suchen!



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