Aussichten & Pläne 2002/2003

Im Mai 2002 teilte mir der Verlag Gräfe und Unzer mit, daß er beabsichtige, mein mit mittlerweile 16 Auflagen sehr erfolgreiches Zebrafinkenbuch auslaufen zu lassen und 2003 durch ein neues, gleichnamiges Buch in seiner neu gestalteten Tier-Ratgeber-Reihe zu ersetzen. (Dieses Buch ist, wie ich am 3. April 2003 erfuhr, inzwischen erschienen.) Der neue Ratgeber sollte wie alle anderen dieser Reihe in nur vier Kapitel eingeteilt werden:

  1. Wohlfühl-Heim
  2. Kennenlern-Programm
  3. Fit-und-gesund-Programm
  4. Beschäftigungsprogramm

Weitere Vorgaben waren unter anderen (in der fehlerhaften Orthographie der Redaktion):

Die Redaktion versuchte mehrmals, mich als Autor für diesen Titel zu gewinnen. Dieser Bitte konnte bzw. kann ich aus zwei Gründen nicht entsprechen:

I. Aufbau, Themen, Umfang, Illustration und Layout

Diese wurden vom Verlag bis ins Detail vorgegeben, entsprechen aber nicht meinen Vorstellungen eines umfassenden Buches über eine Vogelart und artgerechte Tierhaltung:

  1. "Erlebnis-Buch": Die vier Überschriften erinnern eher an einen "Wellness"-Ratgeber und nähren bereits den Verdacht, daß es weniger um die Bedürfnisse der Vögel, sondern um die Interessen des Halters bzw. Käufers geht. Ein Blick in den bereits erschienen Ratgeber Wellensittiche · glücklich & gesund macht klar, daß das Buch auf solche Ziervögel zielt, die sich eng an den Menschen anschließen können, also etwa Papageien (die allerdings auch ein besseres Schicksal als jahrelange Einzelhaft verdienen). Prachtfinken werden jedoch nur dann handzahm, wenn sie durch Handaufzucht auf den Menschen geprägt wurden und daher zu einem natürlichen Verhalten nicht mehr fähig sind.
  2. Die Themen greifen viel zu kurz: Das wichtige Kapitel über Biologie und Freileben (in meinem Buch: "Zebrafinken verstehen lernen") findet sich im Wellensittich-Ratgeber auf gerade einmal anderthalb Textspalten reduziert wieder: unter dem hübsch stabreimenden Titel "Wilde Wellensittich-Welt". Weitere Überschriften einzelner Unterkapitel betonen wieder die Rolle des Vogels als Spielobjekt: "Was Wellensittiche alles können", "Lernen und Spielen", "Fragen rund ums Lernen und Spielen". Zebrafinken und andere Prachtfinken sind jedoch, wie gesagt, als Schmusetiere völlig ungeeignet!
  3. Die Bilderlastigkeit entspricht dem reduzierten Informationsgehalt der neuen Ratgeber-Reihe: 74 Fotos (die 24 kleinen Fotos am oberen Seitenrand nicht mitgerechnet) realisieren das selbstgesetzte Ästhetik-Ziel einer "frischen, hellen Farbwelt", fast alle Fotos sind Studio-Aufnahmen, und fast alle zeigen Wellensittiche im Haushalt: mit Menschen, mit Spielzeug, fast immer vor künstlichem Hintergrund; artgemäße Volierenhaltung hingegen wird nicht bildlich dokumentiert.
  4. Der Umfang ist gegenüber meinem Buch stark verringert: Der neue Ratgeber kommt auf nur noch auf 63 statt bisher 72 Seiten, der Text ist durch das "zielgruppengerechte Layout", teilweise ganzseitige Farbfotos und sogar ganzseitige Kapitelüberschriften weiter reduziert und besteht oft nur noch aus Bildunterschriften. Diesem Zwangskorsett hätte ich große Teile meines Zebrafinkenbuches opfern müssen!

Mit anderen Worten: Man plante ein buntes, amüsant zu konsumierendes Bilderbuch mit leicht lesbarem Text. Wirklich informieren muß man sich über die Biologie, Bedürfnisse und artgerechte Haltung der behandelten Tierart woanders. Der Leiter eines bekannten Verlages schrieb mir Ende 2002 zu diesem Trend:

Bücher sollen immer mehr so etwas wie eine Benutzeroberfläche werden, möglichst helle Bilderwelt, vergnüglich, fröhlich, fun-orientiert, positiv, möglichst wenig Text – ein Denken, das auf Abschaffung dessen setzt, was eigentlich der Nährboden des Verlagswesens ist, nämlich Wissensdurst und Lesefreude. Ich bin mir ziemlich sicher, daß dies langfristig nicht erfolgreich sein wird. Ich könnte mir denken, daß die Anzahl der Menschen, die von einer solchen Oberflächlichkeit angeödet werden, mehr und mehr steigt, und daß es einen wachsenden Markt geben wird für fundierte Literatur, sowohl im belletristischen wie im Sachbuchbereich. Dieser Markt mag wohl begrenzt sein, könnte aber, sofern man die Zielgruppen erreicht, ausreichen, um anspruchsvolle Bücher verlegen zu können.

II. Rechtschreibung

Hinzu kommt, daß der geplante neue Zebrafinken-Titel in zwangsreformierter Schulschreibung erscheinen sollte, welche ich aus folgenden Gründen entschieden ablehne:

  1. Die neue "Rechtschreibung" wurde gegen den Widerstand der Bevölkerung und selbst des Deutschen Bundestages von der Kultusministerkonferenz durchgesetzt. Wie zwei repräsentative Umfragen durch das unabhängige Institut für Demoskopie in Allensbach (April 2002) und die bekannte Zeitschrift Hör Zu (Heft 35/2002) zeigen, unterstützen auch heute nur gerade einmal 10% die neue Schreibung. Ich schreibe aber nicht gegen meine Leserschaft, sondern für sie – und für artgerechte Tierhaltung.
  2. Die neuen Regeln sind sowohl grundsätzlich als auch im einzelnen falsch: Sprachwissenschaft ist als solche immer beschreibend (deskriptiv), nicht vorschreibend, und etliche der durch Erlaß dekretierten Schreibweisen widersprechen ihren grammatischen Eigenschaften oder ihren Bedeutungen. Ich habe einst nicht Sprachwissenschaft studiert, um nun der Wissenschaft in den Rücken zu fallen und feststehende Begriffe auseinander, Adverbien groß, das Du aber klein zu schreiben. Außerdem:
  3. Die Reform ändert nicht nur Schreibweisen von Wörtern, sondern ganz bewußt auch deren Bedeutungen – für mich ein ungeheuerlicher obrigkeitsstaatlicher Eingriff. Drei Beispiele:
    1. Zebrafinken werden wie alle Prachtfinken und wie die echten Finken in die Kategorie der "körnerfressenden" Vögel eingestuft. Die neue Schulschreibung verlangt hingegen "Körner fressende" Vögel. Der Satz "Auf dem Foto sind Körner fressende Vögel zu sehen" soll also 'Körnerfesser' meinen, obwohl jeder Ornithologe hier solche Vögel versteht, die im Moment der Aufnahme gerade Körner fressen – und das können auch viele Insektenfresser, etwa Meisen.
    2. Im Geschichtsbuch 1 des Cornelsen-Verlages lesen die Schüler: "Wie sich schon früher die Menschenaffen und die Menschenvorfahren auseinander entwickelt hatten [...]" Das bedeutet für jeden gebildeten Menschen, daß sich die einen 'aus den jeweils anderen' entwickelt haben. Tatsächlich gemeint war aber eine Entwicklung in verschiedene Richtungen.
    3. Auf den Umschlägen der Ratgeber des Verlages Gräfe und Unzer ist zu lesen: "MIT DEN 10 GU-ERFOLGSTIPPS". Die von tippen abgeleiteten Tipps werden jedoch seit jeher mit Tippreihen, Tippzetteln bzw. Wettscheinen assoziiert, Tips (vom englischen tip) hingegen mit 'nützlichen Hinweisen'. Seit einem halben Jahrhundert ist für mich eine solche Empfehlung ein "Tip"; warum sollte ich jetzt plötzlich "Tipp" schreiben, wenn ich 'Tip' meine?

Auch die ureigenste Eigenschaft eines Schreibers, nämlich seine Sprache, wird so reglementiert. Zusammen mit den oben genannten inhaltlichen und formalen Vorgaben des Verlages bedeutet dies, daß der Autor im wesentlichen auf seine Rolle als Namensgeber für das Buch reduziert wird – sofern wenigstens sein Name richtig geschrieben wird. Das neue Zebrafinken-Buch wäre also nicht mehr "mein" Buch gewesen!

Aussichten · Optionen · Pläne

Sobald mein Titel Zebrafinken definitiv nicht mehr im normalen Handel und der Ladenpreis aufgehoben ist, biete ich die noch in meinem Besitz befindlichen Exemplare zum Kauf an. Wenn auch dieser Restposten verkauft ist, gibt es drei Optionen:

  1. Entweder ein interessierter Verlag gibt das Buch in der vorliegenden oder einer anderen Form – eventuell mit aktualisiertem Inhalt – neu heraus;
  2. oder ich bringe es mit Hilfe eines mir bekannten Verlagsleiters im "Eigenverlag" heraus;
  3. oder ich stelle das Werk als sogenannte PDF-Datei(n) ins Internet: Zebrafinkenfreunde können es dann kostenlos oder für einen geringen Betrag herunterladen, lesen und ausdrucken.


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